Wäre es nach Louis Chevrolet
gegangen, es hätte nie ein Nutzfahrzeug mit seinem Namen gegeben.
Der bekannte Rennfahrer wollte Luxusautomobile bauen. Aber es ging
nicht nach Chevrolet. Es ging nach William C. Durant, dem Boß von
General Motors...
Der auf diesen Seiten abgebildete Chevrolet 0.5-ton Light Delivery
Pick-up von 1940 ist ein Auto, das Louis Chevrolet nie konstruiert
hätte. Sportliche, luxuriöse Wagen wollte er bauen. Aber
Last- und Lieferwagen, schnöde Transportfahrzeuge zum reinen
Nutzzweck ? Viel zu profan !
Ursprünglich hatte der 22jährige ganz andere Pläne, als
er im Jahre 1900 seine schweizer Heimat verließ. Vor ihm lag ein
neues Jahrhundert und eine neue Welt - die Vereinigten Staaten von
Amerika. Mit einer selbst erfundenen Weinpumpe im Gepäck hoffte
er, in den USA Geld zu verdienen. Louis Chevrolet kam jedoch nie in den
kalifornischen Wienbaugebieten an: Kaum hatte er in den Staaten
Fuß gefaßt, fand wer eine Anstellung bei einem Schweizer
Landsmann, William Walter, seines Zeichens Produzent von motorischen
Fahrzeugen. Das Automobil faszinierte den jungen Louis. Später
arbeitete er als Mechaniker für die amerikanische
Fiat-Niederlassung, schließlich wurde er Rennfahrer.
Und nicht einmal ein schlechter. Bald gehörte er zur
US-Rennsportlegende, wenn sein Name international auch nicht ganz so
bekannt wurde wie etwa der eines Barney Oldfield, Ralph De Palma oder
Bob Burman. Ein guter Name ist eben auch gut fürs Geschäft:
Der Selfmade-Millionär William Crapo Durant wurde auf Chevrolet
aufmerksam und engagierte den Rennfahrer. Durant war gerade im Begriff,
General Motors zu schaffen, bestehend aus Buick, Oldsmobile, Cadillac
und Oakland. 1911 folgte die neu gegrüpndete Chevrolet Motor
Company - das erfolgreiche Image von Louis sollte sich auf den
Markennamen übertragen und für hohe Absatzzahlen sorgen.
Der Exil-Schweizer war mit Durants Idee vorerst einverstanden, und das
erste Modell, der ziemlich luxuriöse Classic Six, entstand im
wesentlichem unter seiner Feder. Doch bereits kurze zeit darauf
trennten sich die Wege von Louis Chevrolet und William C. Durant: Der
Geschäftsmannnn und Finanzier machte sich daran, seine Pläne
von einem Konkurrenten zu Fords Model T in die Tat umzusetzen.
Chevrolet hingegen wollte bei billiger Massenware nicht mitmachen. Die
beiden überwarfen sich - Louis Chevrolet verließ die nach
ihm benannte Marke, sein Name aber blieb.
Durants Plan vom Ford-Konkurrenzmodell war von Erfolg gekrönt, die
Stückzahlen stiegen, und mit dem 1916 präsentierten Chevrolet
490 blies GM zum Angriff - in der Produktionsstatistik
übertrumpfte Chevy Ford dann erstmals 1927.1918 erschienen die
ersten Chevrolet Trucks. Neben dem Eintonner Model T (welch
zufällige Namensgleichheit !) gab es den Halbtonner Light
Delivery, der auf dem Bestseller 490 basierte - der Kastenrahmen machte
es möglich. Mit ihm legten die Detroiter den Grundstein
für eine neue Fahrzeuggattung, die bald eine der beliebtesten
Amerikas werden sollte: Es eignete sich vorzüglich für
Pick-up Aufbauten - kleine Lieferwagen mit offener
Ladefläche und den Fahreigenschaften eines Personenwagens.
Zwar boten auch andere Hersteller solche Fahrzeuge an, doch erst dem
Chevy gelang der Durchbruch. Für 585 Dollar gab´s das
verstärkte Fahrgestell des Personenwagenmodells zusammen mit
Motorhaube, vorderen Kotflügeln, Spritzwand und Windschutzscheibe.
Der restliche Aufbau war Sache der Karosseriehersteller.
In den folgenden Jahren machte der Light Delivery die Modellwechsel der
Personenwagen mit, ohne daß sich am Gesamtkonzept etwas
geändert hätte. Während der Weltwirtschaftskrise
erschien der kleine Lieferwagen erstmals mit komplettem Fahrerhaus.
Auch die Chevrolet-Verantwortlichen registrierten natürlich die
wachsende Beliebtheit des Pick-up Modells mit der praktischen
Ladefläche und schenktem ihm von Jahr zu Jahr mehr Aufmerksamkeit:
Schließlich wollte man sich den mit den zahlreichen Pick-ups
verbundenen Verdienst nicht entgehen lassen. Heute ist
ein Farmer im mittlerem Westen der USA ohne Pick-up einfach nicht mehr
vorstellbar - er ist fester Bestandteil des American way of life
geworden.
1933 gab es erstmals einen kompletten Halbtonner-Pick-up von
Chevrolet, gebaut aus Karosserieteilen des Vorjahres. Das Design des
37er Modells schließlich glich dem der Limousine desselben
Jahrgangs. Von da an entfernte sich die Formgebung der Light Deliveries
wieder zunehmend von den Personenwagen: daß dies nicht unbedingt
ein Nachteil gewesen ist, zeigte der Series KC genannnte 0.5-ton Light
Delivery des Jahrgangs 1939: Mit Fug und Recht darf behauptet werden,
daß dieser Pick-up mit einem wesentlich schönerem Gesicht
daherkam als die zeitgleich produzierte Limousine.
Entgegen der üblichen Gewohnheit blieb die Optik des Pick-up im
nächsten Modelljahr nahezu unverändert: Auf den
Kotflügeln angebrachte Parkleuchten und eine geringfügig
veränderte Zierleiste am oberen Rand des Kühlergrills machten
die Modifikationen aus. Der hier abgebldete Light Delivery ist ein
solches 1940er Modell. Insgesamt 194.038 Stück baute Chevy von den
leichten Nutzfahrzeugen in jenem Modelljahr, einschließlich
verglastem Kastenwagen und einer Canopy Express genannten Variante mit
wetterfesten seitlichen Rollvorhängen. Ausgestattet ist unser
Blickfang mit dem 78 PS starken 3,5-Liter-Sechszylinder Stovebolt Six
und optionalem Vierganggetriebe.
Die Konstruktion dieses Sechszylindermotors ging auf das Jahr 1929
zurück, under sollte 34 Jahre lang im Chevy-Modellprogramm
bleiben. Auch die ersten Corvette waren ab 1953
mit diesem Triebwerk ausgerüstet - Louis
Chevrolets lange vergessener Traum vom sportlichen Automobil wurde doch
noch Wirklichkeit. Miterlebt hat er dies leider nicht mehr. Bereits
1941 war Louis Chevrolet gestorben, am Erfolg "seiner" Marke nur mit
ein paar General Motors-Aktien teilhabend, die ihn nicht sonderlich
reich gemacht haben.